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BEZEICHNUNG

       rtc - Echtzeituhr

ÜBERSICHT

       #include <linux/rtc.h>

       int ioctl(fd, RTC_request, param);

BESCHREIBUNG

       Dies ist die Schnittstelle zu Treibern für Echtzeit-Uhren (RTCs).

       Die  meisten  Computer  verfügen  über  eine oder mehrere Hardware-Uhren, die die aktuelle »Wanduhr«-Zeit
       erfassen. Diese werden als »Real Time  Clocks«  (RTC)  bezeichnet.  Eine  von  ihnen  ist  in  der  Regel
       batteriegepuffert,  sodass  sie  die  Zeit  verfolgt,  auch  während der Computer ausgeschaltet ist. RTCs
       stellen oft Alarme und andere Interrupts bereit.

       In allen i386-PCs und ACPI-basierten Systemen ist eine RTC eingebaut, die kompatibel  zum  Chip  aus  dem
       Originalen PC/AT ist, dem Motorola MC146818. Heutzutage ist solch eine RTC im Allgemeinen in den Chipsatz
       des Mainboards (South Bridge) integriert und nutzt eine austauschbare münzgroße Batterie.

       Nicht-PC-Systeme  wie  beispielsweise eingebettete Systeme, die um »System-on-chip«-Prozessoren aufgebaut
       sind, nutzen andere Implementierungen. Üblicherweise bieten sie nicht die gleiche Funktionalität wie  die
       RTC aus einem PC/AT.

   RTC im Vergleich zur Systemuhr
       RTCs  sollten  nicht  mit  der  Systemuhr verwechselt werden. Diese ist eine Software-Uhr, die vom Kernel
       gepflegt wird. Er verwendet sie für die Implementierung von gettimeofday(2) und  time(2)  sowie  für  die
       Zeitstempel  von  Dateien  usw. Die Systemuhr zählt Sekunden und Mikrosekunden seit einem Startpunkt, der
       als die »POSIX Epoch« (1970-01-01 00:00:00 +0000 (UTC)) definiert ist. (Eine verbreitete Umsetzung  zählt
       Timer-Interrupts,  einmal  pro  »Jiffy«,  bei  einer  Frequenz von 100, 250 oder 1000 Hz). Das heißt, sie
       sollte die »Wanduhr«-Zeit angeben, wie es auch RTCS tun.

       Ein wesentlicher Unterschied zwischen einer RTC und der Systemuhr ist, dass RTCs auch dann  laufen,  wenn
       sich  das  System in einem Zustand niedrigen Energieverbrauchs (einschließlich »ausgeschaltet«) befindet,
       und die Systemuhr das nicht kann. Bis sie initialisiert wird,  kann  die  Systemuhr  nur  die  Zeit  seit
       Systemstart  berichten … und nicht seit der POSIX-Epoche. Also wird beim Booten und nach der Rückkehr aus
       einem Niedrigenergie-Zustand des Systems die Systemuhr oft über eine RTC auf  die  aktuelle  Wanduhr-Zeit
       gesetzt werden. Systeme ohne eine RTC müssen die Systemuhr mit einer anderen Uhr stellen, vielleicht über
       das Netzwerk oder durch die manuelle Eingabe der Daten.

   RTC-Funktionen
       RTCs können direkt mit den im Folgenden aufgeführten ioctl(2)-Aufrufen und mittels hwclock(8) gelesen und
       geschrieben werden.

       Neben der Verfolgung von Zeit und Datum können viele RTCs Interrupts erzeugen

       •  bei jeder Aktualisierung der Uhr (d.h. einmal pro Sekunde);

       •  in  periodischen  Abständen  mit  einer  Frequenz, die ein Mehrfaches einer beliebigen Zweierpotenz im
          Bereich zwischen 2 Hz und 8192 Hz ist;

       •  bei Erreichen einer vorher festgelegten Alarmzeit.

       Jede dieser Interruptquellen kann separat aktiviert oder deaktiviert werden. Auf vielen Systemen kann ein
       solch ein Interrupt als ein Ereignis zum »Wecken« aus einem Energiesparzustand wie  Suspend-to-RAM  (STR,
       auf  ACPI-Systemen  S3  genannt),  Hibernation  (S4 auf ACPI-Systemen) oder sogar »aus« (S5) konfiguriert
       werden. Auf manchen Systemen kann nicht die batteriegepufferte  RTC  Interrupts  auslösen,  sondern  eine
       andere.

       Das  Gerät /dev/rtc (oder /dev/rtc0, /dev/rtc1 usw.) kann nur einmal (bis es wieder geschlossen wird) und
       nur für einen Lesezugriff geöffnet werden. Beim Aufruf von read(2)  und  select(2)  wird  der  aufrufende
       Prozess  blockiert,  bis er den nächsten Interrupt von dieser RTC empfängt. Im Anschluss an den Interrupt
       kann der Prozess einen »long integer« auslesen. Dessen niedrigstwertiges Byte enthält eine Bitmaske,  die
       die  Typen  der  aufgetretenen  Interrupts  codiert,  während  die  verbleibenden  3 Bytes die Anzahl von
       Interrupts seit dem letzten read(2) enthalten.

   ioctl(2)-Schnittstelle
       Die folgenden ioctl(2)-Anfragen sind für mit RTC-Geräten verbundene Dateideskriptoren definiert:

       RTC_RD_TIME
              gibt die Zeit der RTC in der folgenden Struktur zurück:

                  struct rtc_time {
                      int tm_sec;
                      int tm_min;
                      int tm_hour;
                      int tm_mday;
                      int tm_mon;
                      int tm_year;
                      int tm_wday;     /* nicht verwendet */
                      int tm_yday;     /* nicht verwendet */
                      int tm_isdst;    /* nicht verwendet */
                  };

              Die Felder dieser Struktur haben die gleiche Bedeutung und die gleichen Wertebereiche wie  die  in
              gmtime(3)  beschriebene  Strukur tm. Als drittes Argument von ioctl(2) sollte ein Zeiger auf diese
              Strukur übergeben werden.

       RTC_SET_TIME
              setzt die Zeit der RTC auf die in der rtc_time-Struktur  festgelegte  Zeit,  auf  die  das  dritte
              ioctl(2)-Argument  zeigt.  Zum  Setzen  der Zeit muss der Prozess privilegiert sein (d.h. über die
              Capability CAP_SYS_TIME verfügen).

       RTC_ALM_READ
       RTC_ALM_SET
              liest und setzt die Alarmzeit bei RTCs, die Alarme unterstützen. Der Interrupt für den Alarm  muss
              separat  mit den Anfragen RTC_AIE_ON und RTC_AIE_OFF aktiviert oder deaktiviert werden. Das dritte
              Argument für ioctl(2) ist ein Zeiger auf eine rtc_time-Struktur. Von der Struktur werden lediglich
              die Felder tm_sec, tm_min und tm_hour ausgewertet.

       RTC_IRQP_READ
       RTC_IRQP_SET
              liest und setzt  die  Frequenz  periodischer  Interrupts  bei  RTCs,  die  periodische  Interrupts
              unterstützen.  Der  periodische Interrupt muss separat mit den Anfragen RTC_PIE_ON und RTC_PIE_OFF
              aktiviert oder deaktiviert werden. Das dritte  Argument  von  ioctl(2)  ist  ein  unsigned  long *
              beziehungsweise  ein  unsigned  long. Der Wert ist die Anzahl der Interrupts pro Sekunde. Der Satz
              von zulässigen Frequenzen besteht aus Vielfachen von zwei aus dem Bereich von 2 bis 8192. Nur  ein
              privilegierter  Prozess  (d.h. einer mit der CAP_SYS_RESOURCE-Capability) kann Frequenzen über dem
              in /proc/sys/dev/rtc/max-user-freq festgelegten Wert festlegen. (Diese Datei enthält standardmäßig
              den Wert 64.)

       RTC_AIE_ON
       RTC_AIE_OFF
              aktiviert oder deaktiviert den Alarm-Interrupt für  RTCs,  die  Alarme  unterstützen.  Das  dritte
              Argument von ioctl(2) wird ignoriert.

       RTC_UIE_ON
       RTC_UIE_OFF
              aktiviert  oder  deaktiviert  den  Interrupt bei jeder Aktualisierung der Uhr für RTCs, die diesen
              »einmal pro Sekunde«-Interrupt unterstützen. Das dritte Argument von ioctl(2) wird ignoriert.

       RTC_PIE_ON
       RTC_PIE_OFF
              aktiviert oder deaktiviert den periodischen Interrupt für RTCs, die diese periodischen  Interrupts
              unterstützen.  Das  dritte  Argument  von  ioctl(2) wird ignoriert. Nur ein privilegierter Prozess
              (d.h. einer mit der CAP_SYS_RESOURCE-Capability) kann den periodischen Interrupt aktivieren,  wenn
              die Frequenz über dem in /proc/sys/dev/rtc/max-user-freq festgelegten Wert liegt.

       RTC_EPOCH_READ
       RTC_EPOCH_SET
              Viele  RTCs  codieren  das Jahr in einem 8-Bit-Register, das entweder als 8-Bit-Binärzahl oder als
              BCD-Zahl interpretiert wird. In beiden Fällen wird die Zahl  relativ  zum  zeitlichen  Bezugspunkt
              (Epoch)  dieser RTC interpretiert. Auf den meisten Systemen ist dies das Jahr 1900, aber auf Alpha
              und MIPS könnte es abhängig vom RTC-Register für das Jahr auch 1952,  1980  oder  2000  sein.  Bei
              einigen  RTCs  kann  mit diesen Operationen das Bezugsjahr gelesen bzw. gesetzt werden. Das dritte
              Argument von ioctl(2) ist ein unsigned long * oder ein unsigned  long  und  entsprechend  ist  der
              zurückgegebene  (oder  zugewiesene Wert) das Bezugsjahr. Um das Bezugsjahr der RTC zu setzen, muss
              der Prozess privilegiert sein (d.h. über die Capability CAP_SYS_TIME verfügen).

       RTC_WKALM_RD
       RTC_WKALM_SET
              Einige RTCs unterstützen eine leistungsfähigere Alarm-Schnittstelle mittels  dieser  »ioctls«  zum
              Schreiben oder Lesen der Alarmzeit der RTC mit dieser Struktur:

                  struct rtc_wkalrm {
                      unsigned char enabled;
                      unsigned char pending;
                      struct rtc_time time;
                  };

              Der  Schalter  enabled  wird  zur  Aktivierung  oder  Deaktivierung  des Alarm-Interrupts oder zur
              Ermittlung seines aktuellen Status verwendet; wenn Sie diese Aufrufe einsetzen, werden  RTC_AIE_ON
              und  RTC_AIE_OFF  nicht  beachtet.  Der Schalter pending wird von RTC_WKALM_RD verwendet, um einen
              anstehenden Interrupt anzuzeigen. (Er ist also unter Linux meist nutzlos - es sei  denn,  es  wird
              mit  durch  EFI-Firmware verwalteteten RTCs kommuniziert.) Das Feld time wird mit RTC_ALM_READ und
              RTC_ALM_SET verwendet, mit dem Unterschied, dass die Felder tm_mday, tm_mon und tm_year  ebenfalls
              gültig  sind.  Ein  Zeiger  auf  diese  Struktur sollte als drittes Argument an ioctl(2) übergeben
              werden.

DATEIEN

       /dev/rtc
       /dev/rtc0
       /dev/rtc1
       …      (zeichenorientierte) RTC-Gerätedateien.

       /proc/driver/rtc
              Status der (ersten) RTC.

ANMERKUNGEN

       Wenn die Systemzeit des Kernels mittels adjtimex(2) mit einer externen Referenz synchronisiert wird, wird
       er eine bestimmte RTC periodisch  alle  11  Minuten  aktualisieren.  Dafür  muss  der  Kernel  kurzzeitig
       periodische  Interrupts  ausschalten.  Dadurch  könnten  Programme  beeinträchtigt  werden, die diese RTC
       verwenden.

       Der Zeitbezugspunkt (Epoch) hat nichts mit der POSIX Epoch  zu  tun,  die  lediglich  für  die  Systemuhr
       verwendet wird.

       Wenn  das  Jahr entsprechend der RTC-Epoch und dem Jahres-Register kleiner als 1970 ist, werden 100 Jahre
       drauf geschlagen, also ein Jahr zwischen 2000 und 2069 angenommen.

       Einige RTCs unterstützen Platzhalterwerte (wildcards) in den Alarm-Feldern, um Szenarien wie  regelmäßige
       Alarme  15  Minuten  nach  jeder vollen Stunde oder am ersten Tag eines jeden Monats zu unterstützen. Die
       Verwendung  ist  nicht  portabel;  portabler   User-Space-Code   erwartet   lediglich   einen   einzelnen
       Alarm-Interrupt und wird den Alarm bei Erhalt entweder deaktivieren oder neu initialisieren.

       Einige  RTCs  unterstützen  periodische  Interrupts  mit Zeiten, die ein Vielfaches einer Sekunde anstatt
       Bruchteile einer Sekunde sind;  mehrere  Alarme,  programmierbare  Ausgangs-Taktsignale;  nichtflüchtigen
       Speicher und weitere Fähigkeiten, die derzeit nicht von dieser API zugänglich gemacht werden.

SIEHE AUCH

       date(1), adjtimex(2), gettimeofday(2), settimeofday(2), stime(2), time(2), gmtime(3), time(7), hwclock(8)

       Documentation/rtc.txt im Linux-Kernelquelltext-Verzeichnis

ÜBERSETZUNG

       Die deutsche Übersetzung dieser Handbuchseite wurde von Martin Eberhard Schauer <Martin.E.Schauer@gmx.de>
       erstellt.

       Diese  Übersetzung ist Freie Dokumentation; lesen Sie die GNU General Public License Version 3 oder neuer
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