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BEZEICHNUNG

       crypto-policies - Überblick über systemweite Krypto-Richtlinien

BESCHREIBUNG

       Die Sicherheit kryptographischer Komponenten des Betriebssystems bleibt im Laufe der Zeit nicht konstant.
       Algorithmen, wie kryptographisches Hashen und Verschlüsseln, haben typischerweise eine Lebensdauer, nach
       der sie als zu riskant oder sogar klar unsicher betrachtet werden. Das bedeutet, das solche Einstellungen
       aus den Voreinstellungen stufenweise herausgenommen oder komplett deaktiviert werden müssen, falls sie
       ein nicht reparierbares Problem hervorrufen würden.

       Während in der Vergangenheit die Algorithmen nicht konsistent deaktiviert wurden und verschiedene
       Anwendungen verschiedene Richtlinien zugrunde legten, erlauben es die systemweiten Krypto-Richtlinien,
       denen die Krypto-Kernkomponenten folgen, das konsistente und systemweite Markieren von Algorithmen als
       veraltet und deren Deaktivierung.

       Die einzelnen Richtlinienstufen (DEFAULT, LEGACY, FUTURE und FIPS) sind im Paket crypto-policies(7)
       enthalten. In der Zukunft wird es auch einen Mechanismus zur leichten Erstellung und dem leichten Einsatz
       von Richtlinien, die vom Systemadministrator oder einem Drittparteienlieferanten definiert wurden, geben.

       Zur Begründung siehe RFC 7457 für eine Liste von Angriffen, die Nutzen aus veralteten Kryptoalgorithmen
       ziehen.

ABGEDECKTE ANWENDUNGEN

       Crypto-policies gelten für die Konfiguration der kryptographischen Kern-Subsysteme und decken die
       Protokolle TLS, IKE, IPSec, DNSSec und Kerberos ab, d.h. die unterstützten sicheren
       Kommunikationsprotokolle im grundlegenden Betriebssystem.

       Sobald eine Anwendung im Betriebssystem ausgeführt wird, folgt sie der Vorgabe oder der ausgewählten
       Richtlinie und lehnt es ab, auf Algorithmen und Protokolle zurückzufallen, die nicht innerhalb der
       Richtlinie liegen, außer der Anwender hat dies ausdrücklich erbeten. Das bedeutet, dass die Richtlinie
       auf das Standardverhalten der Anwendungen angewandt wird, wenn diese innerhalb der vom System
       bereitgestellten Konfiguration betrieben werden, der Benutzer dies aber für Anwendungen gezielt außer
       Kraft setzen kann.

       Die Richtlinien stellen derzeit Einstellungen für die folgenden Anwendungen und Bibliotheken bereit:

       •   BIND-DNS-Nameserver-Daemon

       •   GnuTLS-TLS-Bibliothek

       •   OpenJDK-Laufzeitumgebung

       •   Kerberos 5-Bibliothek

       •   Libreswan-IPsec- und IKE-Protokollimplementierung

       •   NSS-TLS-Bibliothek

       •   OpenSSH-SSH2-Protokollimplementierung

       •   OpenSSL-TLS-Bibliothek

       •   libssh-SSH2-Protokollimplementierung

       Anwendungen, die die obigen Bibliotheken und Werkzeuge verwenden, sind von den kryptographischen
       Richtlinien abgedeckt, außer dies wird durch ausdrückliche Konfiguration unterbunden.

BEREITGESTELLTE RICHTLINIENSTUFEN

       LEGACY
           Diese Richtlinie stellt die maximale Kompatibilität mit herkömmlichen Systemen bereit; sie ist
           weniger sicher und unterstützt die Protokolle TLS 1.0, TLS 1.1 und SSH2 und neuere. Die Algorithmen
           DSA, 3DES und RC4 sind erlaubt, während die Parameter von RSA und Diffie-Hellman akzeptiert werden,
           wenn sie größer als 1023 bit sind. Diese Stufe stellt mindestens 64-Bit-Sicherheit bereit.

           •   MACs: alle HMAC mit SHA-1 oder besser und alle modernen MACs (Poly1305 usw.)

           •   Kurven: alle Primzahlen >= 255 bit (einschließlich Bernstein-Kurven)

           •   Signaturalgorithmen: mit Hash SHA1 oder besser (DSA erlaubt)

           •   TLS-Chiffren: alle verfügbaren >= 112-bit-Schlüssel, >= 128-bit-Block (einschließlich RC4 und
               3DES)

           •   Nicht-TLS-Chiffren: wie bei TLS-Chiffren mit hinzugefügtem Camellia

           •   Schlüsselaustausch: ECDHE, RSA, DHEDH-Parametergröße: >= 1023

           •   RSA-Schlüsselgröße: >= 1023

           •   DSA-Parametergröße: >= 1023

           •   TLS-Protokolle: TLS >= 1.0, DTLS >= 1.0

       DEFAULT
           Die Richtlinie DEFAULT ist eine vernünftige Vorgaberichtlinie gemäß heutigen Standards. Sie erlaubt
           die Protokolle TLS 1.0, TLS 1.1, TLS 1.2 und TLS 1.3 sowie IKEv2 und SSH2. Die Parameter von
           Diffie-Hellman werden akzeptiert, falls sie mindestens 1023 bit lang sind. Die Stufe stellt
           mindestens 80-Bit-Sicherheit bereit.

           •   MACs: alle HMAC mit SHA-1 oder besser und alle modernen MACs (Poly1305 usw.)

           •   Kurven: alle Primzahlen >= 255 bit (einschließlich Bernstein-Kurven)

           •   Signatur-Algorithmen: mit SHA-1-Hash oder besser (kein DSA)

           •   TLS-Chiffren: >= 128-bit-Schlüssel, >= 128-bit-Block (AES, ChaCha20, einschließlich AES-CBC)

           •   nicht-TLS-Chiffren: wie bei TLS-Chiffren mit hinzugefügtem Camellia

           •   Schlüsselaustausch: ECDHE, RSA, DHE (kein DHE-DSS)

           •   DH-Parametergröße: >= 1023

           •   RSA-Schlüsselgrößen: >= 2048

           •   TLS-Protokolle: TLS >= 1.0, DTLS >= 1.0

       NEXT
           Die NEXT-Richtlinie ist eine Richtlinie, die für die zukünftige Veröffentlichung des Betriebssystems
           vorbereitet wurde, so dass sie leicht getestet werden kann. Sie erlaubt die Protokolle TLS 1.2 und
           TLS 1.3 sowie IKEv2 und SSH2. Die Parameter für RSA und Diffie-Hellman werden akzeptiert, falls sie
           größer als 2047 bit sind. Die Stufe stellt mindestens 112-Bit-Sicherheit bereit, mit der Ausnahme von
           SHA-1-Signaturen, die für DNSSec und andere noch verbreitete veraltete Anwendung von SHA-1-Signaturen
           benötigt werden.

           •   MACs: alle HMAC mit SHA-1 oder besser und alle modernen MACs (Poly1305 usw.)

           •   Kurven: alle Primzahlen >= 255 bit (einschließlich Bernstein-Kurven)

           •   Signatur-Algorithmen: mit SHA-1-Hash oder besser (kein DSA)

           •   TLS-Chiffren: >= 128-bit-Schlüssel, >= 128-bit-Block (AES, ChaCha20, einschließlich AES-CBC)

           •   nicht-TLS-Chiffren: wie bei TLS-Chiffren mit hinzugefügtem Camellia

           •   Schlüsselaustausch: ECDHE, RSA, DHE (kein DHE-DSS)

           •   DH-Parametergröße: >= 2048

           •   RSA-Schlüsselgrößen: >= 2048

           •   TLS-Protokolle: TLS >= 1.2, DTLS >= 1.2

       FUTURE
           Eine konservative Sicherheitsstufe, von der angenommen wird, dass sie allen zukünftigen Angriffen in
           der nächsten Zeit widerstehen wird. Diese Stufe erlaubt keine Verwendung der
           SHA-1-Signaturalgorithmen. Diese Stufe stellt auch einige (unvollständige) Vorbereitungen für
           Post-Quanten-Verschlüsselungsunterstützung in Form von symmetrischen
           256-bit-Verschlüsselungsanforderungen bereit. Die Parameter für RSA und Diffie-Hellman werden
           akzeptiert, wenn sie größer als 3071 bit sind. Die Stufe stellt mindestens 128-bit-Sicherheit bereit.

           •   MACs: alle HMAC mit SHA-256 oder besser und alle modernen MACs (Poly1305 usw.)

           •   Kurven: alle Primzahlen >= 255 bit (einschließlich Bernstein-Kurven)

           •   Signatur-Algorithmen: mit SHA-256-Hash oder besser (kein DSA)

           •   TLS-Chiffren: >= 256-bit-Schlüssel, >= 128-bit-Block, nur Chiffren mit authentifizierter
               Verschlüsselung (AE)

           •   nicht-TLS-Chiffren: wie bei TLS-Chiffren mit hinzugefügten nicht-AE-Chiffren und Camellia

           •   Schlüsselaustausch: ECDHE, DHE (kein DHE-DSS, kein RSA)

           •   DH-Parametergröße: >= 3072

           •   RSA-Schlüsselgrößen: >= 3072

           •   TLS-Protokolle: TLS >= 1.2, DTLS >= 1.2

       FIPS
           Eine Stufe, die die FIPS 140-2-Anforderungen erfüllt. Diese Richtlinie wird intern vom Werkzeug
           fips-mode-setup(8) verwandt, das das System in den FIPS 140-2-Konformitätsmodus umschalten kann.
           Diese Stufe stellt mindestens 112-bit-Sicherheit bereit.

           •   MACs: alle HMAC mit SHA1 oder besser

           •   Kurven: alle Primzahlen >= 256 bit

           •   Signatur-Algorithmen: mit SHA-256-Hash oder besser (kein DSA)

           •   TLS-Chiffren: >= 128-bit Schlüssel, >= 128-bit-Block (AES, einschließlich AES-CBC)

           •   nicht-TLS-Chiffren: wie bei TLS-Chiffren

           •   Schlüsselaustausch: ECDHE, DHE (kein DHE-DSS, kein RSA)

           •   DH-Parametergröße: >= 2048

           •   RSA-Parametergröße: >= 2048

           •   TLS-Protokolle: TLS >= 1.2, DTLS >= 1.2

       EMPTY
           Alle kryptographischen Algorithmen sind deaktiviert (nur zur Fehlersuche, verwenden Sie das nicht).

KRYPTO-RICHTLINIEN-DEFINITIONSFORMAT

       Die Kryptorichtlinien-Definitionsdateien haben eine einfache Syntax, die der Syntax einer INI-Datei
       Schlüssel = Wert folgt und folgende besondere Eigenschaften hat:

       •   Kommentare werden durch ein #-Zeichen angezeigt. Alles, was diesem Zeichen auf der Zeile folgt, wird
           ignoriert.

       •   Rückwärtsschrägstrichzeichen \, denen sofort ein Zeilenendezeichen folgt, stellen eine
           Zeilenfortführung dar. Die nachfolgende Zeile wird an die aktuelle Zeile angehängt, nachdem der
           Rückwärtsschrägstrich und das Zeilenendezeichen entfernt wurden.

       •   Gültige Typen können entweder dezimale Ganzzahlen, beliebige Zeichenketten oder Listen von
           Zeichenketten ohne Leerraumzeichen sein, die durch eine beliebige Anzahl von Leerraumzeichen getrennt
           werden.

       Die erlaubten Schlüssel sind:

       •   mac: Liste der erlaubten MAC-Algorithmen

       •   group: Liste der erlaubten Gruppen oder elliptischen Kurven für den Schlüsselaustausch

       •   hash: Liste der erlaubten kryptographischen Algorithmen für Hashes (Nachrichtenzusammenfassungen)

       •   sign: Liste der erlaubten Signaturalgorithmen

       •   tls_cipher: Liste der erlaubten symmetrischen Verschlüsselungsalgorithmen (einschließlich der Modi)
           für die Anwendung mit dem TLS-Protokoll

       •   cipher: Liste der erlaubten symmetrischen Verschlüsselungsalgorithmen (einschließlich der Modi) für
           die Anwendung mit den anderen Protokollen

       •   key_exchange: Liste der erlaubten Schlüsselaustauschalgorithmen

       •   protocol: Liste der erlaubten TLS- und DTLS-Protokollversionen

       •   ike_protocol: Liste der erlaubten IKE-Protokollversionen

       •   min_tls_version: Niedrigste erlaubte TLS-Protokollversion

       •   min_dtls_version: Niedrigste erlaubte DTLS-Protokollversion

       •   min_dh_size: Ganzzahlwert der minimalen Anzahl an Bits der Parameter für den DH-Schlüsselaustausch

       •   min_dsa_size:  Ganzzahlwert der minimalen Anzahl an Bits für DSA-Schlüssel

       •   min_rsa_size: Ganzzahlwert der minimalen Anzahl an Bits für RSA-Schlüssel

       •   sha1_in_certs: Wert von 1, falls SHA1 in Zertifikatssignaturen erlaubt ist und 0 andernfalls (gilt
           nur für das GnuTLS Backend)

       Die vollständigen Richtliniendateien habe die Endung .pol, die Richtlinien-Moduldefinitionsdateien haben
       die Endung .pmod. In den Richtlinien-Moduldateien müssen nicht alle oben aufgeführten Werte für alle
       Schlüssel gesetzt sein.

       Die Listen, die in der Grundlage (den vollständigen Richtlinen) gesetzt sind, werden durch die in den
       Moduldateien festgelegten Listen wie folgt verändert:

       •   -Listeneintrag: Der Listeneintrag wird aus der in der grundlegenden Datei festgelegten Liste
           entfernt.

       •   +Listeneintrag: Der Listeneintrag wird am Anfang der in der grundlegenden Datei festgelegten Liste
           eingefügt. Die Einfügungen erfolgen in der Reihenfolge des Auftauchens in der Richtlinienmoduldatei,
           so dass die abschließende Reihenfolge in der Liste invertiert sein wird.

       •   Listeneintrag oder Listeneintrag+: Der Listeneintrag wird am Ende der in der grundlegenden Datei
           festgelegten Liste angehängt.

       Werte, die keine Listen sind, werden aus den Richtliniendateien heraus einfach außer Kraft gesetzt.

BEFEHLE

       update-crypto-policies(8)
           Dieser Befehl verwaltet die für die verschiedenen kryptographischen Backends verfügbaren Richtlinien
           und erlaubt es dem Systemverwalter, die aktive Stufe der kryptographischen Richtlinien zu ändern.

       fips-mode-setup(8)
           Dieser Befehl erlaubt es dem Systemadministrator, den System-FIPS-Modus zu aktivieren oder
           deaktivieren und auch die kryptographische Richtlinienstufe FIPS anzuwenden, die die erlaubten
           Algorithmen und Protokolle auf die in der FIPS 140-2 geforderten beschränkt.

ANMERKUNGEN

       Ausnahmen:

       •   Anwendungen in der Sprache Go folgen der systemweiten Richtlinie noch nicht.

       •   GnuPG-2-Anwendungen folgen der systemweiten Richtlinie nicht.

       Im Allgemeinen werden nur übertragene Daten bei der systemweiten Richtlinie abgedeckt.

       Falls der Systemadministrator die systemweite Richtlinienstufe mit dem Befehl update-crypto-policies(8)
       ändert, wird empfohlen, das System neu zu starten, da die einzelnen zugrundeliegenden Bibliotheken ihre
       Konfigurationsdateien normalerweise während ihrer Initialisierung lesen. Die Änderungen der
       Richtlinienstufe finden daher in den meisten Fällen nur statt, wenn die Anwendungen, die die
       zugrundeliegenden Bibliotheken verwenden, neu gestartet werden.

       Entfernte Chiffre-Suiten und Protokolle

       Die folgenden Chiffre-Suiten und Protokolle sind vollständig aus den oben aufgeführten kryptographischen
       Kern-Bibliotheken entfernt:

       •   DES

       •   Alle für den Export geeigneten Chiffre-Suiten

       •   MD5 in Signaturen

       •   SSLv2SSLv3

       •   Alle ECC-Kurven kleiner als 224 bit

       •   Alle Binärfeld-ECC-Kurven

       Chiffren-Suiten und Protokolle, die auf allen Richtlinien-Stufen deaktiviert sind

       Die folgenden Chiffren-Suiten und Protokolle sind verfügbar, aber in allen Krypto-Richtlinien-Stufen
       deaktiviert. Sie können nur durch explizite Konfiguration von einzelnen Anwendungen aktiviert werden:

       •   DH mit Parametern < 1024 bit

       •   RSA mit Schlüsselgrößen < 1024 bit

       •   CamelliaARIASEEDIDEA

       •   Reine Integritäts-Chiffre-Suiten

       •   TLS CBC-Modus-Chiffre-Suiten, die SHA-384 HMAC verwenden

       •   AES-CCM8

       •   Alle ECC, die inkompatibel zu TLS 1.3 sind, einschließlich secp256k1

       •   IKEv1

DATEIEN

       /etc/crypto-policies/back-ends
           Die einzelnen kryptographischen Backend-Konfigurationsdateien. Normalerweise werden sie auf die im
           Paket crypto-policies ausgelieferte Konfiguration verlinkt, außer eine Konfiguration aus local.d wird
           hinzugefügt.

       /etc/crypto-policies/config
           Die aktiv auf dem System gesetzte Krypto-Richtlinien-Stufe.

       /etc/crypto-policies/local.d
           Zusätzliche Konfiguration, die von anderen Paketen ausgeliefert oder vom Systemadministrator erstellt
           wurde. Die Inhalte der <back-end>-file.config wird an die Konfiguration vom Richtlinien-Backend, wie
           es vom Paket crypto-policies ausgeliefert wurde, angehängt.

SIEHE AUCH

       update-crypto-policies(8), fips-mode-setup(8)

AUTOR

       Geschrieben von Tomáš Mráz.

ÜBERSETZUNG

       Die deutsche Übersetzung dieser Handbuchseite wurde von Helge Kreutzmann <debian@helgefjell.de> erstellt.

       Diese Übersetzung ist Freie Dokumentation; lesen Sie die GNU General Public License Version 3 oder neuer
       bezüglich der Copyright-Bedingungen. Es wird KEINE HAFTUNG übernommen.

       Wenn Sie Fehler in der Übersetzung dieser Handbuchseite finden, schicken Sie bitte eine E-Mail an die
       Mailingliste der Übersetzer.

crypto-policies                                    24.08.2019                                 CRYPTO-POLICIES(7)